Motorisches Lernen - Automatisierung von Bewegungen

 
Die Stabilisierung des Bewegungshandelns (2. und 3. Lernphase) wird  auch als Prozess der Automatisierung gekennzeichnet. 
Einzelne Komponenten oder die ganze Handlung läuft gleichsam »von selbst« ab. Ein bewusster Vollzug ist nicht mehr notwendig (aber möglich), so dass der Sportler seine Aufmerksamkeit auf andere Inhalte konzentrieren kann.

Die Anwendung sportlicher Techniken im Wettkampf verlangt eine Automatisierung vorwiegend aus zwei Gründen:

Die meisten sportlichen Bewegungen laufen so schnell ab, dass ein vollständiges Mitdenken nicht gelingen kann. Es ist unmöglich, alle Einzelheiten einer Bewegung denkend zu kontrollieren. 

Beispiele
Ballspiele oder mehrfach kombinierte Bewegungen beim Turnen.
Die Aufmerksamkeit des Sportlers kann aufgrund der begrenzten Verarbeitungskapazität im Wahrnehmungsprozess nicht beliebig vergrößert oder verteilt werden. 
Ein Großteil der Aufmerksamkeit wird aber in vielen Sportarten für erfolgreiches Handeln in taktischen Situationen verlangt.
Während Dribblings zum Beispiel werden Mitspieler und Gegner beobachtet und es wird nach einer Abspiel- oder Schussmöglichkeit gesucht.

Auch die Konzentration auf besonders schwierige oder wichtige Bewegungsteile erfordert soviel Aufmerksamkeit, dass die Qualität der Gesamtbewegung leidet, wenn nicht andere Bewegungsteile automatisch gelingen.

Also: je weniger der Sportler seine Aufmerksamkeit auf den Bewegungsvollzug richten muss, desto besser und schneller wird er auf Veränderungen der Situationsbedingungen reagieren und um so variabler wird er seine Technik neuen Gegebenheiten anpassen können.

Die Automatisierung der Technik ist daher als Vorbedingung für das Erreichen ihrer variablen Verfügbarkeit und Stabilisierung gegen Störeinflüsse anzusehen. (Koordinationsmodell 3. Lernphase)
 
 

Wie kommt es zu einer Automatisierung der Technik?

Voraussetzung ist das vielfache Wiederholen des Bewegungsablaufs.
Das Bewusstsein wird dabei allmählich freier für die Verarbeitung von zusätzlicher Information, weil die Steuerung und Regelung der Bewegung zunehmend aus dem Bereich der Großhirnrinde (in dem die Bewusstseinsprozesse anzusiedeln sind) in andere, tiefergelegene Regionen des Zentralnervensystems (ZNS) verlagert werden.

Die verschiedenen motorischen Systeme des Kleinhirns, des Hirnstamms sowie des Rückenmarks übernehmen diese Funktionen weitgehend. 
Die Zentren und Nervenbahnen des sogenannten extrapyramidalen Systems stehen jedoch nicht isoliert neben demjenigen Teil des ZNS, der für die bewusste Kontrolle von Bewegungen zuständig ist (pyramidales System). Beide Systeme besitzen zahlreiche Querverbindungen und Verflechtungen, so dass auch eine automatisierte Bewegung jederzeit in das Bewusstsein zurückgerufen und auch in sie eingegriffen werden kann.
 
Im Verlauf der Automatisierung kann also in steigendem Maße die kognitive Aktivität für andere Informationsverarbeitungsprozesse eingesetzt werden. 
So befasst sich z. B. der fortgeschrittene Tennisspieler während eines schnellen Ballwechsels weniger mit der Ausführung seiner Schläge als damit, wohin er den Ball im gegnerischen Feld spielen soll.

Die Wahrnehmung einer Situation (anfliegender Ball, sich bewegender Gegner usw.) führt unmittelbar zur Auslösung der Bewegungshandlung, ohne dass sie bewusst verarbeitet und in einen Bewegungsplan umgesetzt werden muss.
Die Automatisierung einer sportlichen Technik beschränkt sich demnach nicht (nur) auf die Entwicklung eines festen Handlungsprogramms. Sie bedeutet auch das Herausbilden von »Reaktionsautomatismen«, die variabel, d.h. situationsangemessen einsetzbar sind.
Führt man sich jedoch vor Augen, welche Vielzahl von unterschiedlichen Situationsbedingungen entstehen kann (z.B. allein die unendliche Zahl an Möglichkeiten, wie der Ball auf einen Spieler zukommen kann), müsste die Sammlung von Bewegungsprogrammen letztlich doch unvollständig bleiben.

Gute Sportler/innen können auch in für sie neuen Situationen sehr schnell und sicher, also automatisiert handeln (z. B. beim Tennis einen scharf gespielten Ball am Netz mit einem Volley abwehren).
Es ist demnach anzunehmen, dass Bewegungslernen zur Bildung relativ allgemeiner, »generativer Regeln« führt, die es dem Sportler erlauben, verschiedene motorische (Teil-)Programme in einer beliebigen Anforderungssituation aus dem Gedächtnis abzurufen und zum Zwecke der Lösung einer Bewegungsaufgabe relativ variabel zusammenzustellen.

Vermutlich wird bei länger andauernden Bewegungen und bei Techniken, deren Gelingen von der angemessenen Berücksichtigung von Rückmeldungen während der Durchführung abhängt, lediglich eine Art Grobprogrammierung vorgenommen, die dann im Vollzug entsprechend der konkreten Anforderungen verfeinert wird.

Für die Sportpraxis ergibt sich hieraus folgende Konsequenz:
Soll eine sportliche Technik nicht nur unter standardisierten, sondern auch unter variablen Bedingungen automatisiert einsetzbar sein, muss sie auch unter entsprechenden Bedingungen trainiert werden.
Andernfalls können sich keine entsprechenden Lernerfahrungen und Handlungsmöglichkeiten herausbilden..
 

(Nach: Meinel/Schnabel und Grosser/Neumaier)
Übersicht Lernphasen/Lernverlauf
Was passiert also während dieses Stufenprozesses ? (Beispiel Badminton - Clear)
Aufbau der Bewegungskoordination - Lehr-/Lernpraxis
Lernapp - Lernphasen

Generalisierte motorische Programme und Schematheorie (nach R. A. Schmidt)
 
 
Lernphasen (Beispiel Badminton - Überkopf-Clear)

zurück
Bewegungslehre Übersicht