"Angesichts
der deutschen Medaillenbilanz in Paris
sind auch die
Bundesjugendspiele wieder in die Diskussion geraten.
Die gibt es schon seit vielen Jahren von der Grundschule bis zur
zehnten Klasse in Leichtathletik, Schwimmen und oder Turnen.
Manche lieben sie, andere hassen sie. Alle Schulen sind aber
verpflichtet, sie durchzuführen, und seit einem Jahr gibt es eine
Neuerung für die Klassenstufen 3 und 4. In der Leichtathletik soll es
keinen Wettkampf mehr geben, sondern einen Wettbewerb.
Die zuständigen Sportverbände und Sportwissenschaftler, die sich damit
beschäftigen, befürworten das.
Aus der Politik gab es teilweise Kritik. Einer dieser Kritiker ist der
CDU-Politiker Armin Schwarz.
Er ist Kultusminister in Hessen und mit
ihm habe ich vor der Sendung gesprochen."
Rieger
Herr Schwarz, zu Beginn des Gesprächs könnten sie einmal erklären,
was
der Unterschied zwischen einem Wettkampf und einem Wettbewerb
ist.
Schwarz
Beim Wettkampf da ist der Sieger tatsächlich auch der Sieger und bei
einem Wettbewerb, und das ist ja das Ergebnis der Reform, gibt es für
20% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Ehrenurkunden für 50%, gibt es
Siegerurkunden, und 30% gibt es Teilnehmerurkunden.
Danach spielt der Leistungsgedanke wie auch schon in der ersten und
zweiten Klasse, ich betone leider bei den Dritt- und Viertklässlern in
der Grundschule eine weniger wichtige Rolle. Das heißt, statt Wettkampf
nur noch Wettbewerb und mit diesem Schuljahr zählen dort dann nicht
mehr genaue Zeiten oder Weiten.
Stoppuhr und Maßband treten damit ein bisschen in den Hintergrund.
Dafür gibt es Zielsprünge, Zonenweitwerf, Beinweitwurf oder
Zeitschätzlauf und ich halte das für falsch. Die Bundesjugendspiele
sollen den Anreiz geben, sich anzustrengen, an die eigenen Grenzen zu
gehen und das Beste aus sich herauszuholen. Das eine Haltung, die sich
dann auch auf das ganze Leben abstrahlt und insofern halte ich eine
Reform der falschen Reform für zwingend erforderlich.
Rieger
Aber da möchte ich
mal einmal eingreifen, also bei der Leichtathletik. Wenn die Kinder
da laufen, dann wird weiterhin die Zeit gemessen, die Stoppuhr ist
nicht abgeschafft.
Anders als sie das
gerade insinuiert haben und inwiefern unterscheidet sich die Leistung
von einem achtjährigen Kind, ob es jetzt beim Weitsprung
zentimetergenau gemessen wird oder durch Punkte in den Zonen? Wo
immer klar ist, ein Kind was in Zone 4 springt ist besser als ein
Kind was in Zone 2 springt.
Schwarz
Ich denke, das zum
Schluss maßgeblich um die entsprechende Haltung dahinter geht.
Diejenigen, die die
Besten sind, sollen auch die Besten sein…
Rieger Aber das ist ja weiterhin so. Die Ehrenurkunde gab's vorher und die Ehrenurkunde gibt's
weiterhin. Die Besten kriegen die Ehrenurkunde, die Schlechtesten, die Teilnehmerurkunde.
Schwarz
Da haben Sie Recht.
Nur bei der Ehrenurkunde, die es früher gab, da wurde exakt dann
ausgewiesen, wie die Punktzahl ist und dann konnte in einem
Klassenverband jeder
nachschauen - aha unter den Trägern der Ehrenurkunde ist die Beate
oder der Markus tatsächlich die oder der Beste und das ist der
Unterschied…
Rieger
Moment, Moment. Wie
wird das denn, Moment Herr Schwarz, wie wird das denn jetzt gemacht?
Schwarz So
wie ich sehen, da geschrieben hab ich, wir reden nach der Reform. Ich
habe eben schon darauf hingewiesen, ich habe darauf hingewiesen, dass
es Zielsprünge gibt, da gibt es dann entsprechende Zonen Zonenweitwurf.
Da wird entsprechend dann ausgewiesen, die Zone ist erreicht worden und
innerhalb dieser Zone wird dann entsprechend bepunktet.
Rieger
Genau und bei der
Ehrenurkunde, ich war gerade bei der Ehrenurkunde. Was, was sehen die
Kinder auf der Ehrenurkunde? Jetzt, wenn sie
sagen es ist, da wird keine Leistung mehr abgebildet.
Schwarz
Man sieht dort,
dass man die Ehrenurkunde gewonnen hat, mehr nicht.
Wie gesagt, die
Ehrenurkunde wird verliehen. Es gibt drei Kategorien: Ehrenurkunde,
Siegerurkunde und dann eine entsprechende Teilnehmerurkunde
Rieger Und
auf der Ehrenurkunde steht aber auch gleichzeitig genauso wie übrigens
auf der Teilnehmerurkunde, dass z.B ein Kind, wenn es 26 Kinder in der
Klasse sind, Platz 23 erreicht hat bei einer Teilnehmerurkunde. Also es
ist genau nicht das, was Sie gesagt haben. Da kriegt ein Achtjähriger
weiterhin im Zweifel gesagt, du bist der drittschlechteste in der
Klasse.
Wie viel mehr Leistung wollen Sie denn noch für ein Grundschulkind?
Schwarz
Es geht tatsächlich
darum, dass man den Spaß am Sport kombiniert mit dem unbedingten
Willen auch tatsächlich
Spitzenleistung zu bringen.
Rieger Und
inwiefern verhindert das jetzige System das, was ich gerade beschrieben
habe? Die Kinder müssen immer noch Leistung bringen, um in eine weite
Zone zu springen, sie werden weiterhin bewertet und am Ende kriegen sie
weiterhin gesagt, in welcher Relation ihre Leistung zu den anderen in
der Klasse ist.
Inwiefern entspricht das nicht einem...
Schwarz Die Relation wird halt dementsprechend nicht mehr so erklärt, wie es vorher der Fall war.
Mit Verlaub - die Tatsache, dass man versucht, dass diejenigen, die nicht so gut sind, sich dann
entsprechend als die Verlierer fühlen, das soll ja damit verhindert
werden. Das ist ja genau der Punkt, der damit einhergeht, und ich will
es noch mal so sagen: Die Grundidee bloß nicht zu scheitern oder bloß
nicht zu verlieren, nützt gar nichts hinsichtlich einer zwingend
erforderlichen Lebenstüchtigkeit, die ja durch Schule, aber auch durch
den Sport natürlich zu fördern und zu unterstützen ist.
Rieger Aber
ich verstehe das immer noch nicht. Das schlechteste Kind kriegt auf dem
Zeugnis gesagt, es ist der 26. Kind in der Klasse mit 26. Reicht, ihnen
also, was wollen Sie denn noch mehr haben?
Schwarz
Also diese Aussage, wo sie das jetzt hernehmen, dass auf der
entsprechenden Urkunde das ausgewiesen ist, das ist wahrscheinlich dann
ein besonderes Phänomen, was sie entsprechend ausweisen.
Rieger
Nein, nein, nein Herr
Schwarz. Herr Schwarz, nein, nein, das denke ich mir nicht aus. Das
steht genauso im Handbuch der Bundesjugendspiele genauso drin.
Wir machen mal
weiter. Wir haben gestern mit Johannes Herber, dem Geschäftsführer
der
Athletenvereinigung
„Athleten Deutschland“gesprochen. Er hat gesagt - Zitat: „ich
habe
noch keinen Olympia-
oder Paralympicsieger kennengelernt, der gesagt hat die
Bundesjugendspiele
waren die Initialzündung für ihre sportliche Karriere. Das ist für
mich eine absolute Scheindebatte die uns nicht weiterbringt.“
Warum führen Sie
diese Debatte?
Schwarz
Ich führe die
Debatte, weil es nicht nur viele gibt die sich mit der Materie
befassen, wie beispielsweise Professor Froböse, der genau die ...
Rieger
Professor Froböse
hat zum Thema Bundesjugendspiele, soweit ich das gesehen habe, nicht
publiziert.
Schwarz
Herr Professor
Froböse geht genau, was den Leistungsgedanken betrifft, in die
Richtung, die ich eben gerade beschrieben habe und es geht exakt
darum und wenn Sie jetzt genau zuhören oder wenn Sie genau
hinschauen, was auch beispielsweise Größen wie Michael Groß,
Olympiasieger 84 und 88 mit sechs
Medaillen, dazu sagt, ist das alles sehr eindeutig.
Der kommt ja nun
auch von einer Schwimmtätigkeit aus Vereinsebene und er sagte
ausdrücklich, Bundesjugendspiele spielen da eine wesentliche Rolle
auch zu erkennen wie dort entsprechende Leistung in den
Sportunterricht aber auch bei Wettkämpfen gezeigt werden.
Und dieses
Talentscouting durch die Sportlehrerin oder den Sportlehrer, dann zu
sagen, pass auf, das ist eine mögliche Sportart wo du besonders
talentiert bist, du bist besonders groß du hast besondere Talente
und insofern dann auch in Kooperation mit den Vereinen zu treten, um
zu unterstützen und zu lenken, darum geht es bei dem Gedanken diese
Reform herzuleiten bzw. die Reform zurückzuführen.
Rieger
Jetzt haben wir
beide anekdotische Evidenz geliefert. Ich könnte noch die Zitate von
den Praktikern aus Hessen sagen, die das alle nicht verstehen können.
An diversen Schulen hat die Offenbacher Post mal nachgefragt. Die
können Ihren Vorschlag nicht nachvollziehen, aber das bringt uns ja
im Zweifel auch nicht weiter. Deswegen die Frage mal generell zur
Datengrundlage. Gibt es wissenschaftliche Untersuchungen dazu, wie
Kinder die Bundesjugendspiele finden oder wie sich
das dann tatsächlich
auf die Leistungsbereitschaft auswirkt?
Liegen die ihn vor?
Schwarz
Na ja, wir haben ja
angefangen mit Olympiade und wir haben weiter gemacht mit
Bundesjugendspiele und wenn wir jetzt mal die Geschichte etwas
anderes erzählen und mal drüber nachdenken, dass wir jetzt bei der
Olympiade in Paris das schlechteste Ergebnis seit 1952 erzielt haben,
muss man im
Umkehrschluss ja noch mal die Frage stellen dürfen, was machen wir
möglicherweise bei der Sportförderung verkehrt, was machen andere?
Rieger Die
Reform, über die wir jetzt
gerade gesprochen haben, wurdeim letzten Jahr ja verändert für Dritt- und
Viertklässler.
Kein Zehnjähriger
hat bei Olympia teilgenommen, ich frage noch mal: gibt es eine
wissenschaftliche Grundlage dafür? Liegt die ihnen vor gibt es
Studien dazu wie Kinder die Bundesjugendspiele finden, wie sich das
auf die Leistungsbereitschaft auswirkt?
Schwarz
Es geht nicht darum
um die Frage wie die …
Rieger
Doch im Moment
geht's darum, um diese Frage.
Schwarz
Sie haben sich
abgestützt auf Verbände, die entsprechend sich dazu äußern. Sie
haben kein Kind zitiert oder Klassen zitiert, die entsprechend darauf
eingeht. Ich weiß von Kindern und das erlebt man einfach als
Schulpraktiker, dass sie sich sehr wohl messen wollen, dass sie sehr
wohl den Wettkampf schätzen und zum Schluss auch beim
Mannschaftssport haben wollen, dass dort die Tore zählen
und zum Schluss man weiß, wer gewonnen hat.
Rieger
Aber das passiert
immer noch sie haben immer noch nicht meine Frage beantwortet. Gibt
es wissenschaftliche
Studien, ich möchte keine anekdotische Evidenz, gibt es
wissenschaftliche Studien, die sie kennen zu den Bundesjugendspielen?
Ich habe nämlich, deswegen frage ich, ich habe keine gefunden.
Argumentieren wir die ganze Zeit eigentlich immer nur auf anekdotischen
Evidenzen. Da können wir ganz viele finden. Warum gibt es so eine
Studie nicht, mal anders gefragt.
Schwarz
Noch mal, die Reform
die diesem Jahr gegriffen hat, basiert auch nicht auf entsprechenden
Studien, sondern man
hat mit einer Geistes..
Rieger
Das macht es ja nicht besser.
Schwarz
Ja, das mag ja sein.
Man hat mit einer entsprechenden Geisteshaltung, bloß keine
Niederlage, bloß kein Scheitern, bloß nicht lernen zu verlieren diese
Reform herbeigeführt und es analog gemacht so wie es in der ersten
und zweiten Klasse bereits ist, kann man einen unterschiedlichen
Ansatz zum Leistungsgedanken haben. Das muss man zweifelsohne
ausdiskutieren.
Ich kann nur
feststellen, auch im Zusammenhang der Kultusministerkonferenz habe
ich breite
Unterstützung
bekommen. Unter anderem aus Bayern, unter anderem aus
Nordrheinwestfalen oder aus Sachsen wo gesehen wird zum Schluss geht
es um eine Geisteshaltung, dass wir mit einer Reform, damit wir da
eine Klarheit rein bekommen und die wir nicht dem luftleeren Raum hier
diskutieren und
über Anekdoten sprechen.
Ich finde, das ist jetzt auch der Sache
nicht ganz angemessen, es geht darum, dass wir glaube ich eine
besondere Haltung zur Leistung im positiven Sinne bekommen sollten
und diese besondere Leistung dann auch als etwas ganz Besonderes zu
zeigen. Also ..
Rieger
Ich höre daraus, es
gibt keine Studien, das wird alles nach Bauchgefühl argumentiert.
Schwarz
Es wird nicht nach
Gefühl argumentiert, sondern es wird nach Ergebnis argumentiert und
dass die Sportergebnisse, die
wir abliefern in Summe nicht besser werden, ist glaube ich, kein
Gefühl, sondern ein Fakt.
Rieger
sagt der hessische
Kultusminister Armin Schwarz von der CDU, hier im Deutschlandfunk.
Weitere Links
und Fachartikel zu den Bundesjugendspielen