Beim Krafttraining ist weniger oft mehr
Vortrag von Prof. Dr. Dietmar Schmidtbleicher

Wer seine Kraft verbessern. will, kommt am Schwitzen nicht vorbei. Wer sich allerdings im Vorfeld seine Gedanken macht, wofür er seine neu gewonnene Kraft einsetzen will und welche Trainingsziele für ihn im Vordergrund stehen, verliert weniger Schweiß und ist schneller am Ziel. 

Denn beim Krafttraining ist weniger oft mehr. Das ist die Quintessenz des Vortrages des Trainingswissenschafters und Leistungsdiagnostikers Prof. Dr. Dietmar Schmidtbleicher von der Frankfurter Goethe-Universität. 

Konzeptlos Gewichte stemmen, das machte der Sportwissenschaftler im 39. Vortrag der Veranstaltungsreihe des Sportkreises Wiesbaden mit sportmedizinischen Themen deutlich, führt nur selten zum gewünschten Erfolg.

So lautet einer der Forderungen von Schmidbleicher, dass zwischen zwei Trainingseinheiten im Kraftraum mindestens 48 Stunden Pause liegen müssen um eine optimale Anpassung zu erreichen. Wird an reaktiven Kraftfähigkeiten wie der Sprungkraft gearbeitet, sollte die Ruhezeit mindestens drei Tage betragen. Die meisten Fehler im Krafttraining entstehen nach Meinung von Schmidbleicher aus Fehlern aus Unwissenheit. Wer lange Zeit mit den gleichen Gewichten trainiere, mache eben nur zu Beginn dieser Trainingsphase etwas für seine Kraft, "nach einigen Wochen arbeitet er mehr im Ausdauerbereich". Anpassung der Gewichte oder Widerstände an den Trainingszustand seien einer der Faktoren, die häufig außer Acht gelassen würden.

Aber auch ein anderer Kardinalfehler werde von viele Sportlern immer wieder begangen: Wer nämlich in einer Trainingseinheit zunächst und dann die Ausdauer trainiert, werde sich in den Kraftwerten nicht verbessern. "Da geht der ganze Trainingseffekt zu Gunsten der Ausdauer." Aber es gebe einen Trick, wie dieser ungewollte Effekt umgangen werden könne. Mann trainiert einfach mit der einen Muskelgruppe - beispielsweise den Armen - an den Kraftgeräten und später mit den Beinen die Ausdauerfähigkeit, etwa auf einem Fahrad-Ergometer.

So fällt es auch leichter  einer anderen Forderung des Sportwissenschaftlers Rechnung zu tragen: Denn wer seine Muskeln über einen langen Zeitraum immer wieder mit den gleichen Gewichten und Wiederholungszahlen konfrontiert, langweilt nicht nur sich, sondern auch seinen Bewegungsapparat. "Nach spätestens sechs bis acht Wochen ist der Erfolg mit einer Trainingseinheit ausgereizt, dann sollte man auf jeden Fall wechseln", ist die Auffassung von Schmidbleicher.

Trotz zum Teil erheblicher Zugewinne an Kraft, ist es vom Untrainierten zum Adonis ein weiter Weg. "Mehr als eine Konfektionsgröße in einem Jahr ist an Muskelzuwachs nicht drin", ist der Sportwissenschaftler überzeugt. Und wenn ein Sportler wirklich schneller Muskelmasse aufbaut, dann gehe es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit rechten Mitteln zu. Denn ein bisschen Schweiß und Arbeit ist eben doch nötig um sich einen kräftigen Körper anzutrainieren. Wenn ein Krafttraining langfristig Spaß bringen und außerdem auch der Gesundheit zuträglich sein soll, empfiehlt Schmidbleicher als unterstützende Mittel die Erkenntnisse der modernen Trainingslehre und nicht Dopingmittel.


Wiesbadener Kurier, 16.3. 2000

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