Mehr Lebensqualität durch maßvolles Sporttreiben

Regelmäßige körperliche Betätigung in begrenztem Umfang ist die beste Vorbeugung für Menschen im höheren Lebensalter



 
Winston Churchills eingängige Formel "No sports, whisky only", die gelegentlich augenzwinkernd als Freibrief für genussvolle Aktivitäten verwendet wird, ist hierzulande gründlich missverstanden worden. Dies jedenfalls ist die Ansicht des Kölner Sportmediziners Professor Richard Rost. Mit "sports" sei nämlich im Englischen nicht jegliche sportliche Betätigung, sondern eindeutig Spitzensport gemeint. Den aber habe der britische Premier nicht getrieben, sehr wohl indes anderen Sport, etwa Polo und Bergsteigen.

Überliefert ist beispielsweise, dass Churchill noch in hohem Alter den Kilimandscharo in Afrika erstiegen hat, trotz offenbar starkem Zigarren- und Whiskykonsum. Ein Vorbild wäre er damit aus heutiger Sicht nur bedingt, denn die Vermeidung von Risikofaktoren - etwa des Rauchens - gehört zur erklärten Gesundheitsstrategie der modernen Medizin. Der Sport spielt dabei eine erhebliche Rolle, wie auf einem von der Bayer AG veranstalteten Seminar zum Thema "Sport im Alter" in Köln hervorging.

Insgesamt zeigt sich nach Darstellung Rosts, der an der Sporthochschule Köln das Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin leitet, infolge der demographischen Umschichtung auch eine Änderung der Sportinteressen. Der Durchschnittsbürger ist heute nicht mehr der junge und gesunde Mensch, sondern zunehmend der Ältere, der kaum noch als wirklich gesund zu bezeichnen ist.
"Für den Menschen ab 40 lässt sich Gesundheit als der Irrtum definieren, noch nicht in unserem Institut untersucht worden zu sein", meint Aast Klar bekannte sich der Kreislaufforscher zu dem manchmal belächelten Wort vom "gesunden Sterben". "Was ist Ihnen lieber", fragte Rost. "Mit 72 auf dem Golfplatz den Sekundentod zu sterben oder bis 79 in einem Altenheim dahinzusiechen?"

Vom 40. Lebensjahr an können bei praktisch jedem - mehr oder minder ausgeprägt - Risikofaktoren oder sogar schon deutlich erkennbare Krankheitszeichen ausgemacht werden. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland aber ist inzwischen über 40 Jahre alt. Daher ändern sich auch die Ansprechpartner im Sport. "Sportverbraucher", so meint Rost, ist schon heute nicht mehr allein der Junge und Gesunde, vielmehr sind zunehmend immer mehr Ältere sportlich aktiv, insbesondere auch Seniorinnen.

Tatsächlich hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung seit Beginn des Jahrhunderts von 40 Jahren für den Mann und 42 Jahren für die Frau suf 72 und 79 Jahre erhöht. Dabei ist freilich die Lebenserwartung nicht insgesamt gestiegen - unser Leben währet 70 oder 80 Jahre, sagt die Bibel. Es zeigt sich vielmehr, dass immer mehr Menschen "diesen uns zustehenden Rahmen" (Rost) ausschöpfen. Voraussehbar ist, dass in 50 Jahren die Zahl der Altenheimbewohner etwa genau so groß sein wird wie die Zahl der Kinder in Schulen und Kindergärten.

Somit geht es nach Ansicht des Sportmediziners nicht eigentlich darum, Jahre an das Leben zu fügen, sondern mehr Leben in unsere Jahre zu bringen. Auch  Untersuchungen verweisen darauf, dass dem Sport - oder genauer körperlicher Bewegung - dabei neben Ernährung und allgemeiner Lebensweise eine Schlüsselrolle zukommt.

Auch der ältere Mensch kann seine gesundheitliche Lage verbessern. Vorbeugung ist keineswegs auf die jüngeren Jahrgänge beschränkt, sondern lohnt sich, wie zahlreiche Studien belegen, auch mit zunehmenden Lebensjahren. Da8 dies auch bereits erkannt wird, belegt nach Darstellung des Dortmunder Sportmediziners Professor Klaus Völker die wachsende Anzahl der Menschen im Alter von 50 und 70 Jahren, die sich in Fitness-Studios trimmen wollen.
Völker begrüße ausdrücklich diese Entwicklung. Training in auch kommerziell betriebenen Studios sei geeignet, den Faktor "Kraft" in gymnastische Übungen zu integrieren und somit wenigstens einen Teil der im Alter nachlassenden Kräfte, die für den Alltag unerlässlich seien, zu mobilisieren. Nach seiner Ansicht kann zudem ein gut geführtes Fitness-studio- individuell abgestimmte Programme auch für Ältere liefern, die sie sonst kaum erhalten könnten.
Noch älter zu werden, ist heute wohl eher eine Illusion. Ein hohes Alter in verhältnismäßig guter Gesundheit zu erreichen aber kann jeder - es sei denn, ihn würfen Schicksalsschläge aus der Bahn. "Möglichst gesund zu sterben", wie es der Sportmediziner Rost formulierte, lässt sich mit etwas mehr körperlicher Aktivität erreichen: "Der Sport kann sicher zu mehr Lebensqualität beitragen."

Vom 30. Lebensjahr an vermindert sich unwiderruflich die Leistungsfähigkeit etwa um ein Prozent pro Jahr. Dies lässt sich, wie Völker sagte eindeutig nachweisen. Auch die Muskelkraft nimmt ab, nicht in gleichem Maße wie die Herzkreisleistung, aber doch spürbar. Wenn man nicht gegensteuert verliert man 30 bis 40 Prozent der Maximalkraft bis zum 80. Lebensjahr.


K. Dallibor in FR vom 13.6. 92

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