Fair Play  -  Versuch einer Deutung
H. Gabler  (in "Übungsleiter 7/86)


 
1.
Fair play ist das unverzichtbare Ethos des Sports. 
Ohne Fair play ist Sport wie Werktage ohne Sonntag.

2.
Fair play ist das Bemühen des einzelnen, vom anderen her zu denken und zu handeln. 
Vereinfacht: Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu.

3.
Fair play bedeutet Verantwortung gegenüber dem Gegner als dem sportlichen Partner, bedeutet Respekt vor dessen körperlicher und seelischer Unversehrtheit, vor dessen Menschenwürde und Gleichwertigkeit.

4.
So wichtig auch das Einhalten der Regeln ist, wird damit das Ethos des Fair play noch nicht erfüllt. Fair play als hinter den Regeln stehende sittliche Grundhaltung bedarf der Friedfertigkeit, der Mitmenschlichkeit, der Ehrlichkeit, der Gerechtigkeit, der Toleranz, der Solidarität und der Selbstzucht.

5.
Fair play ist das Ziel hinter dem Ziel. Dieses  Ziel zu erreichen bedarf der menschlichen Reife, die bereits im Jugendalter angestrebt werden sollte.

6.
Die Maxime "Schneller, höher, stärker" ohne ethischen Hintergrund gefährdet den Sport. "Menschlicher" muss die Ergänzung dieser Maxime sein. Was wir sind, in noch wichtiger ab das, was wir leisten.

7.
Erst wenn die Frage "Was leistet der Mensch sportlich?" ergänzt wird durch die Frage "Was leistet der Sport menschlich?", sind wir auf dem Weg zum Fair play.

8.
Im Sport gibt es Sieger und Gewinner. Wer der Versuchung standhält, unfair zu sein, hat auf jeden Fall gewonnen. Er hat über sich selbst gesiegt, ein auch für sein sonstiges Leben bedeutsamer Sieg.

9.
Zum Fair play gehört Mut, mitunter viel Mut. Der Mutige verdient Dank und Anerkennung.

10.
Der Unfaire ist Spielverderber. Er nimmt dem Sport den Charakter des Spiels.

11.
Fair play sollte das Gewissen des Sports sein. Es mag unbequem sein und dem Sieg um jeden Preis im Wege stehen; andererseits ist der Sieg über das schlechte Gewissen auch ein Sieg über sich selbst.

12.
Der Weg zum Fair play ist ein Lernprozess. Fair play bedarf der Erziehung und Bildung. Damit kann man nicht früh genug beginnen.

13.
Hilfreich ist das Vorbild. Besonders Spitzensportler sollten deshalb als sportliche Vorbilder auch ein Beispiel für Fairness und friedliche Konfliktlösung geben.

14.
Der Weg vom Sportler zum Sportsmann und zur Sportfrau, der Weg über die bloße Anerkennung der Regeln zum Fair play ist mühsam. Rückfälle dürfen an dem gesteckten Ziel nichts ändern.

15.
Leistungsmanipulation, insbesondere Doping, ist ein besonders schwerer Verstoß gegen Fair play.

16.
Auch Rücksichtslosigkeit und Gewalt sind keine Eigenschaften eines erstklassigen Sportlers. Könner haben Unfairness nicht nötig.

17.
Fair play sollte nicht allein eine Verpflichtung für Aktive, Trainer, Betreuer und verantwortliche Funktionäre sein, sondern ebenso für Zuschauer, Eltern und Erzieher und gewiss auch für die Medien.

18.
Wer zum Fair play ja sagt, muss sich auch bemühen, im Alltag, also in allen Bereichen des Zusammenlebens der Menschen, so im Beruf, im Verkehr, in der Politik, in Ehe und Familie fair zu sein. Bei Fair play nur im Sport leidet die Glaubwürdigkeit.

19.
Wenn im Sport menschliche Tugenden und soziales Verhalten beispielhaft erworben werden können, dann ist das Einüben von Fair play nicht nur aus der Sicht des Sports unverzichtbar.

20.
Letztlich ist Fair play ein Beitrag zur inneren Freiheit und damit eine wichtige Grundlage des Friedens mit sich und anderen.


zurück


Bewegungslehre   Trainingslehre   Sportsoziologie/-psychologie   Leistungskurs Sport Übersicht