Biomechanische Prinzipien   -  Anmerkungen
   U. Göhner

Biomechanische Prinzipien im Leistungskurs Sport

"Die Biomechanik im Leistungskurs Sport ist vielfach eng mit den biomechanischen Prinzipien von HOCHMUTH verbunden. In der aktuellen Forschung und in modernen Lehrbüchern der Biomechanik werden die Prinzipien jedoch nicht mehr thematisiert, so dass die Lehrplanmacher für den Leistungskurs die entsprechenden Inhalte eigentlich streichen müssten. Der Beitrag soll aufzeigen, dass dies die falsche Konsequenz wäre. ...

HOCHMUTH hat 1967 in seinem Lehrbuch "Biomechanik sportlicher Bewegungen" erstmals "biomechanische Prinzipien" vorgestellt. Im Unterschied zu allen vorab vorgestellten größeren Arbeiten zur Biomechanik des Sports bzw. zur Biomechanik sportlicher Bewegungen hat HOCHMUTH damit den Versuch gestartet, "die allgemeinsten Erkenntnisse über das rationelle Ausnutzen der mechanischen Gesetze bei sportlichen Bewegungen" (HOCHMUTH1967, 187) darzustellen. 

Das Neue am Vorgehen war, dass sportliche Bewegungen nicht nur über mechanische Begrifflichkeiten deskriptiv erfasst und reflektiert, sondern dass die mechanischen Gesetze auch "unter einer bestimmten Zielstellung" angewendet wurden. Drei der Prinzipien (das Prinzip der Anfangskraft, das Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges und das der Koordination von Teilimpulsen) galten der Zielstellung, dem Sportler oder Sportgerät, also dem Movendum eine hohe Endgeschwindigkeit zu erteilen. Es ist leicht nachzuweisen, dass damit indirekt die typische sportliche Zielstellung der Distanzmaximierung verbunden ist. Bei den beiden anderen Prinzipien, dem Prinzip der Gegenwirkung und dem Prinzip der Impulserhaltung, fehlt ein unmittelbarer Zielbezug.

Die Weiterentwicklung der biomechanischen Prinzipien verlief unterschiedlich. In Fachkreisen der Biomechanik überwog zunächst Kritik, auf die HOCHMUTH in unterschiedlicher Weise eingegangen ist. Zum Ersten relativierte er den Anspruch der Allgemeingültigkeit.

"Die biomechanischen Prinzipien stellen zwar eine bestimmte Verallgemeinerung von Erkenntnissen über die Zweckmäßigkeit sportlicher Bewegungen dar, jedoch trifft nicht jedes dieser Kriterien auf alle Strukturen und Zielstellungen der sportlichen Bewegungsabläufe zu. Sie sind also keine Kriterien von umfassender Allgemeingültigkeit, sondern letztlich doch nur spezifische Kriterien" (HOCHMUTH 1971, 149). 

Zum Zweiten hat er die Zielstellungen weiter ausdifferenziert: 

Neben dem Erreichen von hoher Endgeschwindigkeit wurden weitere Zielstellungen wie minimale Zeitdauer, maximaler Wirkungsgrad und optimale Energiezuführung aufgegriffen. 

Und zum Dritten hat HOCHMUTH einige Prinzipien wesentlich überarbeitet. Doch trotz dieser Korrekturen ist in der Biomechanik des Sports das Denken und Arbeiten in Prinzipien nicht weiter verfolgt worden wie eine Recherche unter dem entsprechenden Stichwort ergeben hat. Erweitert man jedoch die Suchperspektive dadurch, dass man den eng an Forschung ausgerichteten Bereich der Biomechanik verlässt, dann sehen die Ergebnisse anders aus. Insbesondere unter sportpädagogisch-bewegungstheoretischen Gesichtspunkten scheinen die biomechanischen Prinzipien interessant zu sein: In mehreren Bundesländern werden im Leistungskurs Sport seit langem biomechanische Prinzipien als wichtige Elemente der theoretischen Auseinandersetzung mit sportlichen Bewegungen gesehen, und im Zusammenhang mit der Erstellung von Lehrmaterialien ist einmal auch ein neues Prinzip vorgestellt worden (vgl. WIEMANN 1979). 

Für diese Entwicklung kann folgende Erklärung angeboten werden:

Die pädagogische Bewegungslehre ist an den biomechanischen Prinzipien interessiert, weil das in den Prinzipien steckende Wissen exemplarisch eingesetzt werden kann. 
Es kommt also nicht darauf an, einem einzelnen Weitspringer exakt sein bestes Brems-Beschleunigungsstoß- Verhältnis auszurechnen. Interessant ist vielmehr, generell die Bedeutung reflektieren zu können, die z. B. durch das Prinzip der Anfangskraft zwischen der gegenläufigen Einleitungs- und der eigentlichen Hauptbewegung besteht...."

(In: Sportunterricht, Heft 8/2001, S.227)

 



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