Austellung
"... auf ihres Körpers Wohl und Bildung seht ihr nicht" - Schulsport in Deutschland 1770 - 2000
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Pädagogische Gymnastik bei den Philanthropen |
J. C. F. GuthsMuths
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Turnplatz in
der
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Mobilisation
der Massen durch Turnvater Jahn
Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), Gründer der deutschen Turnbewegung, will mit seiner "deutschen Turnkunst" Körper und Charakter des ganzen (männlichen) Volkes bilden, seine physische und moralische Kraft (Wehrhaftigkeit) stärken und zugleich Standesunterschiede und Kleinstaaterei in Deutschland überwinden. 1811 eröffnet Jahn in der Berliner Hasenheide den ersten öffentlichen Turnplatz für seine Leibesübungen im Freien. Turnen, eine deutschtümelnde Wortschöpfung Jahns, soll durch einheitliche Turnkleidung, Riegenturnen, Turnfahrten und -lieder, Massenwettkämpfe und -siegerehrungen Gemeinschaftsbewusstsein und patriotische Gesinnung stärken. Im Zuge der Restaurationspolitik wird öffentliches Turnen von 1820-1842 verboten (Turnsperre), die Turner als potentielle Aufrührer und Revoluzzer verfolgt und eingekerkert. Der Methodiker und Systematiker Adolf Spieß (1810-1858) passt das Jahnsche freie Turnen an die Zeitbedürfnisse Gehorsam und Ordnung an und schafft durch einen streng reglementierten Kanon von Kommandos disziplinierende "Frei"-Übungen zur schultauglichen Körperertüchtigung. |
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Turnen wird obligatorisches Schulfach |
Turnunterricht
auf dem
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Fußball mit dem großen Ball |
Homo
ludens oder Deutsche Spielbewegung und "English sports"
Die Vernachlässigung von Spielen und Leibesübungen im Freien durch Spieß führt zur Reform des schulischen und außerschulischen Turnens. Ausgehend von Braunschweig - Konrad Koch (1846 -1911) pflegt dort nicht nur die alten Jahnschen Turnspiele wie Schlagball, Barlaufen oder Kettenreißen, sondern führt ab 1874 auch das Fußballspiel und andere englische Spiele ein - wird der Typus des noch heute gebräuchlichen Sportspiels entwickelt. Fußend auf dem "Goßlerschen Spielerlass" des preußischen Kultusministers von 1882 wird 1891 der "Zentralausschuss zur Förderung der Volks- und Jugendspiele in Deutschland" gegründet, der von Anfang an auch die Mädchen berücksichtigt. Die Turner, geprägt von strenger Haltung, geregelter Gemeinschaft, nationalpatriotischem Bekenntnis zu Kaiser und Vaterland, sehen sich (zu Recht) durch den "undeutschen" Sport von der Insel mit seiner Ausrichtung auf individuelle Höchstleistung (Rekord) und Wettkampf bedroht. |
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Turnunterricht in der Weimarer Republik |
Spiel mit dem Medizinball |
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"Wir sind das
neue Volk im Schritt,
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Politische
Leibeserziehung im Nationalsozialismus
Die Diktatur des Dritten Reiches macht die schulische Leibeserziehung zum "Staatsfach" und grundlegenden, untrennbaren Bestandteil der nationalsozialistischen Gesamterziehung zu den die Nation tragenden Werten Volksgemeinschaft, Wehrhaftigkeit, Rassebewusstsein und Führertum. Fünf Wochenstunden Körperertüchtigung mit Schwerpunkt Kampfsport bei den Jungen und Mädeltanz bei den Mädchen sollen die Jungen zu harten, wehrtüchtigen Soldaten, die Mädchen zu gebärfreudigen gesunden Müttern erziehen. Tatsächlich aber verarmt das schulische Sportleben durch den erzwungenen Verzicht auf den Spielnachmittag und das Verbannen des Wettkampfsports in die nationalsozialistischen Jugendorganisationen. Und der Anspruch der Ideologie scheitert an der politischen Wirklichkeit des Krieges: Bereits seit 1937 ist jeglicher Turnhallenbau untersagt und die bestehenden Hallen dienen bald nicht mehr dem Schulsport, sondern als Getreidespeicher und Lazarette. |
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Entpolitisierung des Sportunterrichts im Westen - Umpolung im Osten |
Not macht erfinderisch |
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"Bewegungsmarkt"
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Fit
for fun oder fun statt fit?
Im heutigen Differenzierten Sportunterricht ist alles möglich, aber nichts geht mehr. Der "Bewegungssupermarkt" Schulsport bietet alles, was gut und gängig ist: Traditions- neben Trendsportarten, Bewegungskünste und New Games, Wettkampf- oder Gesundheitssport - anything goes - aber bitte nicht mehr als zwei Stunden die Woche! Nie war die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität so groß wie heute. Sportunterricht soll Kinder und Jugendliche stark machen in jeder Hinsicht, soll ihre sensorische, motorische, soziale und emotionale Entwicklung fördern, Schwächen ausgleichen, Fehlentwicklungen reparieren, soll neue Körper- und Bewegungserfahrungen vermitteln, vor Unfällen, Zivilisations-, Haltungs- und anderen Schäden bewahren, fit und Spaß machen, nur eines soll er nicht: Zeit und Geld kosten. Kürzung der Sportstunden, Einstellungsstopp für Sportlehrer, das bayerische Kooperationsmodell "Schule und Sportverein" eine Mogelpackung, der Superlehrplan für die Schublade? Text: Maria Huber |
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