Fair kommt zuletzt

Sport kann Gewalt unter Jugendlichen fördern – Experten rätseln über Lösungen




 
Spotzen, motzen, Schwalbe machen - oder: Ist Fußballschulsporttauglich? 
22.5. 2006 Universität Augsburg (idw)

Augsburger Sportwissenschaftler untersuchten schlechtes Benehmen im Sportspielvergleich und stellen fest: 
Fußball ist auch hier einfach "spitze"!

Wie gut - oder eher schlecht - benehmen sich eigentlich die Akteure in den verschiedenen Sportspielen? 
Gibt es hier signifikante Unterschiede zwischen den jeweiligen Spielern, Stars, Idolen? 
Motiviert durch die Frage, wie es eigentlich um die moralische Vorbildwirkung des Fußballs steht, der im Sportunterricht mit Abstand dominiert, haben Augsburger Sportwissenschaftler den Umfang und die Ausprägungen schlechten Benehmens im Fuß-, Hand-, Basket- und Volleyball miteinander verglichen und sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass der Fußball nicht mehr uneingeschränkt als Schulsportart empfohlen werden könne.

Welcher "aufrechte" Fußballfan hätte sich nicht schon einmal über das Verhalten seines oder seiner Stars geärgert? Da wird nach jeder vergebenen Torchance mitten in die Großaufnahme gespuckt; da werden mit schamloser Vehemenz absurde Einwurf-, Eckball oder Abseits-Entscheidungen von den Stars eingefordert, die Zweifel an der Wahrnehmungsfähigkeit eben dieser Stars aufkommen lassen; da werden nicht nur Schwalben geflogen, sondern zu gelungenen Schwalben wird dem Schwalbenmacher auch noch zynisch gratuliert. Und jede Entscheidung gegen ihn wird von unserem Star durch Meckern, einschlägige Gesten oder anderweitig inszenierten wütenden Protest als Fehlentscheidung dargestellt.

FUSSBALL: IM SCHULSPORT DOMINIEREND UND DEMENTSPRECHEND PRÄGEND
Vor dem Hintergrund, dass Fußball das bei weitem verbreitetste Sportspiel im Sportunterricht ist und das Verhalten der Fußballstars in seiner Vorbildrolle weitreichende Folgen hat, wollte der Sportpädagoge Prof. Dr. Helmut Altenberger wissen, wo Fußball im Vergleich zu anderen Sportspielen bezüglich seiner moralischen Vorbildwirkung steht, denn, so Altenberger: "Diese Vorbildwirkung sollte ein wichtiger Aspekt bei der Stoffauswahl im Schulsport sein."

SCHIEDSRICHTER: DIE KRIEGEN ES AB UND MÜSSEN ES WISSEN
Katrin Engelhardt, Studentin am Augsburger Institut für Sportwissenschaft und als passionierte Reiterin in Sachen Unparteilichkeit in diesem Fall über jeden Zweifel erhaben, entwickelte im Rahmen ihrer Magisterarbeit zusammen mit Altenbergers Kollegen, dem Bewegungs- und Trainingswissenschaftler Prof. Dr. Martin Lames, einen Fragebogen, mit dem die Häufigkeit von Regelverstößen und schlechtem Benehmen bei Spielern, Trainern und Zuschauern abgefragt wurde. Als Experten für die Beobachtung wurden 156 Fußball-, Basketball-, Handball- und Volleyball-Schiedsrichter aus dem bayerischen Regierungsbezirk Schwaben gewonnen. Auf der Grundlage ihrer intimen Kenntnisse der Praxis in der jeweiligen Ballsportart füllten diese Schiedsrichter auf ihren Fachtagungen den Fragebogen aus.

INDEX 100 FÜR DURCHSCHNITTLICH SCHLECHTES BENEHMEN
Um die Sportspiele bzw. die Verhaltensweisen der Akteure vergleichen zu können, wurden - auf die Schiedsrichter als Objekte und die Spieler, Trainer und Zuschauer als Subjekte bezogen - aus mehreren Verhaltensweisen genormte Indices für die Häufigkeit negativen Verhaltens gebildet und dann für die einzelnen Sportspiele berechnet. Durchschnittliches negatives Verhalten hat in diesem Bewertungssystem einen Wert von 100, tritt es überdurchschnittlich oft auf, steigt der Wert entsprechend über 100er-Marke an.

FUSSBALL: EINFACH "SPITZE"!
Die Fußball-Werte übertreffen überall die der Vergleichssportarten. Beim unfairen Verhalten im Umgang mit den Schiedsrichtern ist diese "Spitzenstellung" mit einem Wert von 104,0 (gegenüber Handball: 103,3, Basketball: 98,7 Volleyball: 92,3) noch relativ moderat ausgeprägt; beim Trainerverhalten (FB: 108,1 HB: 104,5 BB: 92,7 VB: 90,5) und beim Zuschauerverhalten (FB: 111,8 HB: 105,2 BB: 103,0 VB: 81,2) werden die Unterschiede schon deutlicher. Beim allgemeinen Verhalten bzw. schlechten Benehmen der Spieler kommt der Fußball mit 111,8 als einziger schließlich - und sehr signifikant - über die 100er-Marke für durchschnittlich negatives Verhalten hinaus (zum Vergleich: BB: 100,0 HB: 98,7 VB: 92,7). Im Gesamtvergleich scheint dem Fußball gegenüber insbesondere das Volleyballspiel am anderen Ende der Werteskala eine "Insel der Seeligen" im Kreis der Sportspiele zu sein.

HANDBALL: IN SACHEN "SCHWALBE" UND "HINLANGEN" AUCH NICHT OHNE
In einigen Details freilich tun sich die Handballer noch übler hervor als die Fußballer. So ist in 51 Prozent aller Handballspiele, dagegen nur in 37,5 Prozent aller Fußballspiele jeweils mindestens eine Schwalbe zu beobachten. Auch der Anteil der Spiele, in denen mindestens einmal Verletzungen des Gegners in Kauf genommen werden, liegt beim Handball mit 17,3 Prozent deutlich über dem entsprechenden Fußball-Wert von 10,0 Prozent.

UNFLÄTIGKEITEN: AN DER TAGESORDNUNG
Beim schlechten Benehmen im engeren Sinn (Spucken, Fluchen, obszöne Gesten usw.) lässt der Fußball seine Konkurrenten allerdings weit hinter sich. 55,0 Prozent der befragten Fußballschiedsrichter gaben an, dass Kostproben der allseits bekannten Unflätigkeiten "in vielen Spielen" bzw. "in jedem Spiel" zu beobachten seien; wesentlich weniger oft wurden diese Antwortvorgaben von denjenigen Schiedsrichtern angekreuzt, die beim Basketball (31,6 Prozent), beim Volleyball (11,6 Prozent) und beim Handball (11,3 Prozent) pfeifen.

TRAINER UND ZUSCHAUER: JEDER HAT SEINE (SPORTARTSPEZIFISCHEN) EIGENARTEN
Fußballtrainer fallen insbesondere dadurch auf, dass sie am häufigsten Gegner und Schiedsrichter beschimpfen und sogar handgreiflich werden. 
Handballtrainer hingegen tun sich dadurch hervor, dass sie zu hartem Spiel und zu Fouls ermuntern. Was Zivilisationsmängel auf den Rängen betrifft, so liefern sich die Fußball- und die Handballzuschauer ein Kopf-an-Kopf-Rennen wenn es um Verbalinjurien geht - gleichgültig ob sich diese gegen die Spieler der eigenen Mannschaft, gegen die gegnerische Mannschaft oder gegen die Schiedsrichter richten. 

Im Kreis der Fußballzuschauer ist darüber hinaus die Neigung zu gewalttätigem Verhalten besonders ausgeprägt, sie sind weiterhin diejenigen, die am meisten Schadenfreude erkennen lassen, wenn ein Gegner verletzt wird und die am meisten dazu tendieren, zu aggressivem Verhalten aufzufordern.

ALS SCHULSPORTART: FRAGWÜRDIG
"Für die Zuschauer", meint Lames, "sind diese Ergebnisse tendenziell so zu erwarten gewesen, besonders enttäuschend sind sie aus meiner Sicht aber für die Fußballtrainer und die Fußballspieler. Wie sollen junge Spieler vorbildliches Verhalten, Fairness gegenüber dem Gegner und Respekt vor den Schiedsrichtern entwickeln, wenn ihnen die Vorbilder in Spieler- und Trainerschaft etwas ganz anderes vorleben?" Sein Kollege Altenberger teilt diesen Frust und geht noch einen Schritt weiter: "Nach dieser Studie kann Fußball nicht mehr uneingeschränkt als Schulsportart empfohlen werden. 

Sportlehrer sollten auf jeden Fall bei der Vermittlung von Fußball über Fairness und Verhalten reflektieren und im Schulsport eine Distanz zum vorgelebten Erscheinungsbild der Sportart aufbauen. Hier ist nicht zuletzt auch der DFB gefragt, der über seine Trainerausbildung nachdenken muss."
 



 
Es geht um den Ruf einer Sportart - Sportgericht hört Zeugen zum Reizgasvorfall

09.06.2010 - WIESBADEN

Das Kreissportgericht Wiesbaden hat gestern Abend über die Vorkommnisse nach dem D-Jugendspiel am 15. Mai zwischen Grün-Weiß Wiesbaden und Biebrich 02 verhandelt. Wie berichtet war es nach der Partie zu einer Auseinandersetzung gekommen, bei der ein Vater eines Grün-Weiß-Spielers Reizgas einsetzte. Mindestens zwölf Beteiligte waren dabei verletzt worden.

Das Sportgericht um den Vorsitzenden Detlev Hofmann (Schwarz-Weiß) hörte in einer mehrstündigen, nichtöffentlichen Sitzung zahlreiche Zeugen, darunter Jugendspieler beider Vereine. Auch wurden die Videoaufnahmen, die ein Biebricher Betreuer bei dem Spiel gemacht hatte, ausgewertet. Der beschuldigte 45-jährige Vater, der das Reizgas versprüht haben soll, war nicht zu der Verhandlung erschienen. Er fehlte krankheitsbedingt.

Urteil nächste Woche
„Wir haben sehr viele Zeugen gehört und entschieden, das Urteil erst nächste Woche zu fällen“, sagte Sportgerichtsvorsitzender Detlev Hofmann nach der Verhandlung. Am kommenden Dienstag soll das Gericht seine Entscheidung treffen, diese soll den Beteiligten schriftlich zukommen.

Es geht in der Geschichte von der Auseinandersetzung am 15. Mai mittlerweile auch ein bisschen um den Ruf des Fußballs. „Wir müssen sehen, dass das Einzelfälle sind, die eine ganze Sportart in Verruf bringen“, appelliert Wiesbadens Kreisfußballwart Dieter Elsenbast. Einzelfälle, die in der Summe dennoch ein beunruhigendes Bild zeichnen: Acht Spielabbrüche in der vergangenen Spielzeit alleine in der F-Jugend - „Das ist unbegreiflich“, sagt Elsenbast. Und die Schuldigen, „das sind nicht die Vereine, das sind die Eltern“.

Die Kriminalität rund um den Fußballplatz: In Wiesbaden wird sie zum Fall von Hauptkommissar Jörg Hönig. Er ist einer von zwei szenekundigen Polizisten, die sich um Problem-Fans des SV Wehen Wiesbaden kümmern. Und um den ehrgeizigen Vater, der am 15. Mai mit Reizgas Spieler, Betreuer und Zuschauer verletzte.

„Ein außergewöhnliches Ereignis“, nennt Hauptkommissar Hönig diesen Fall. Normalerweise beanspruchen die Spiele der Kinder und Jugendlichen die Polizei nicht allzu sehr. Diese Begegnung war die bedauerliche Ausnahme von der Regel.

„Es gibt Hunderte, ja tausende Fußballspiele ohne Polizeieinsatz“, sagt Hönig. Aber es gibt eben auch die elf Ermittlungsverfahren, die in der zurückliegenden Fußballsaison die Polizei beschäftigt haben. Es geht um Körperverletzung oder Beleidigung. Oder um Bedrohung, wie im Fall des Spiels SG Italia Rhein-Main gegen den 1.SC Klarenthal.

Fan-Problematik

Nur Fußball wird für Hauptkommissar Hönig zum Fall. Volleyball oder Basketball spielen keine Rolle. „Fußball ist ein Massenphänomen mit Fan-Problematik“, sagt er. Hier wird die Rivalität zwischen den Vereinen gepflegt wie sonst nur noch im Eishockey. „Keine andere Sportart hat diese Emotionalisierung wie der Fußball“.

Eine Emotionalisierung, die offenbar schon im Jugendbereich beginnt. „Es hat sich in den letzten Jahren vieles entwickelt, das nicht meine Zustimmung findet“, sagt Horst Klee, Vorsitzender des FV Biebrich 02. Er spricht von „erfolgsgeilen Betreuern“ und von Eltern, „die der Meinung sind, ihr Kind sei der nächste Bundesliga-Star 2020“.

Auch der Präsident des PSV Grün-Weiß, Manfred Tecl, hatte sich von den Vorfällen auf dem Sportplatz Kleinfeldchen distanziert, ein „gesamtgesellschaftliches Problem“ in der Tatsache gesehen, „dass Erwachsene das Fußballspielen und mögliche Erfolgserlebnisse ihrer Kinder überbewerten und sich am Rande des Spielfeldes entsprechend negativ verhalten“.

Der Wiesbadener Fußballkreis hat schon auf seiner letzten Jugendleiter-Pflichtsitzung den Vereinsverantwortlichen eingebläut, hart gegen auffällige Eltern vorzugehen, Sportplatzverbote auszusprechen, sich notfalls von Spielern zu trennen. „Wenn die Vereine nicht durchgreifen, werden wir das machen“, sagt Dieter Elsenbast. Das Sportgericht werde künftig bei Bestrafungen „an die obere Grenze gehen“.
 



 
Wiesbadener Kurier 4./5. 6. 2002

Jagdszenen bei Jugendspiel

Beim für die Tabelle völlig belanglosen letzten Rundenspiel der B-Jugend-Bezirksliga zwischen SV Erbenhehn  und TuS Hahn musste die Polizei anrücken, um eine Massenschlägerei zu stoppen.  Erbenhelmer Spieler hatten die brutale Prügelei ausgelöst.

„Eine solche Gewaltbereitschaft und einen solch unerklärlichen Hass habe ich noch auf keinem Fußballplatz gespürt. Selbst als die Polizei da war, sah man bei einem Erbenheimer noch förmlich den Hass aus dein Augen quellen", zeigte sich der Hahner Jugendchef Wolfgang Ernst über die Ereignisse entsetzt.
In der ruppig geführten Partie, die aus Sicht der Gäste von einem guten Schiedsrichter geleitet wurde, glich Erbenheim nach 1:3-Rückstand in der 65. Minute aus. Danach sah ein SVE-Spieler die Rote Karte. Der Sünder reagierte mit einem Stoß gegen einen Hahner. „Nachdem vorher der Schiedsrichter tituliert und unser Torwart angespuckt worden war, artete jetzt urplötzlich in eine wilde Schlägerei aus.

Die sechs oder sieben zuschauenden Erbenheimer A-Jugendlichen, die sich schon positioniert hatten, schlugen wie auf Absprache auf alles, was ein Hahner Trikot trug. Selbst Kickboxen wurde angewandt. Außerdem schlugen auch Erwachsene zu.  Natürlich haben wir mitgeprügelt, doch das geschah nur aus purer Notwehr", schildert Ernst die Jagdszenen. Damit nicht genug: Zwei Hahner Spieler flüchteten vom Sportgelände, überquerten die Durchfahrtstraße und rannten - von Erbenheimer Widersachern verfolgt - in Richtung Ortsmitte. Hahns Trainer Bernd Reisen setzte sich kurzerhand ins Auto und konnte seine Schützlinge unterwegs aufnehmen...

Ein Hahner Spieler, der noch am Boden liegend getreten worden, war, musste ins Krankenhaus gebracht werden. Die Mutter eines Hahner Jungen hat angekündigt, die Täter anzuzeigen...

Mario Bibo, lange Zeit stellvertretender Jugendleiter und seit Mai Chef der Erbenheimer Nachwuchsabteilung, distanziert sich mit Nachdruck von denVorfällen: „Das hat nichts mit Fußball zu tun. Bei A– und B-Jugend werden Köpfe rollen. Die betroffenen Spieler können ihre Aggressionen nicht auf dem Fußballplatz auslassen und so dem Verein schaden. Das ist sehr traurig und wir können uns nur bei Hahn entschuldigen.“ Nach Bibos Information soll zuerst ein Hahner Spieler hinter dem Rücken des Schiedsrichters geschlagen haben, womit der Erbenheimer aber keinesfalls die späteren Gewalttaten rechtfertigen will.


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