Weltgipfel in Berlin

Schulsport als Grundrecht der Kinder

BERLIN. Der Weltschulsportgipfel ist am Freitag mit der Verabschiedung der "Berliner Agenda" zu Ende gegangen. In dieser Deklaration werden Bildungspolitiker aus aller Welt aufgerufen, dafür Sorge zu tragen, dass die körperliche Erziehung in der Schule weiterhin ein globales Grundrecht der Kinder und Jugendlichen bleibe. "Alle Kinder haben ein Anrecht auf eine ausgewogene Förderung der geistigen und körperlichen Entwicklung", heißt es in der Erklärung. Der Sportunterricht sei der Schlüssel zu einer bewegungsreichen und gesunden Lebensführung.

Die Agenda soll der dritten Weltkonferenz der Sportminister, die Anfang Dezember in Uruguay stattfindet, als Arbeitsgrundlage dienen. Außerdem wurde auf dem dreitägigen Weltschulsportgipfel in Berlin, an dem 300 Sportwissenschaftler und Regierungsvertreter teilnahmen, ein Appell an die Unesco ausgearbeitet. Die in diesen Tagen in Paris tagende Vollversammlung der Organisation wird zu einer Kampagne für den Schulsport aufgerufen.

Dass der Sportunterricht weltweit in einer tiefen Krise steckt, belegte erstmals eine Studie, die die Situation des Schulsports in 126 Ländern untersucht hat. "In fast allen Ländern werden die Stundenzahlen gekürzt, es gibt weniger Geld und weniger Lehrpersonal, das Fach leidet unter einem großen Ansehensverlust", sagte Ken Hardmann von der Universität in Manchester. In zwei Dritteln aller Länder böten die Sportstätten "desaströse Bedingungen". Außerdem deckte die Untersuchung eine eklatante Diskrepanz zwischen die Vorgaben der Lehrpläne und der Wirklichkeit des schulischen Alltags auf. Angesichts der Tatsache, dass in Industrienationen wie den Vereinigten Staaten oder England schon Kleinkinder unter Fettsucht litten und die Folgen der Bewegungsarmut einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden anrichteten, sei das eine alarmierende Entwicklung. "Die Gesundheitserziehung ist wohl einer der wichtigsten Aufgaben des neuen Jahrhunderts", sagte Bruce Kidd von der Universität Toronto. "Krankheiten werden im Kindesalter angelegt, deshalb ist die Investition in den Schulsport eine Investition mit einer hohen Dividende."

Einig waren sich die Sportwissenschaftler aus 80 Ländern in Berlin, dass die Zeit des Redens zu Ende sei. "Wir müssen endlich politisch werden", forderte eine Referentin. So soll die Weltbank dazu aufgerufen werden, den Kampf gegen die Schulsportmisere finanziell zu unterstützen. Außerdem will man große, reiche Sportorganisationen wie den Internationalen Fußball-Verband in die Kampagne einbeziehen. Auch vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) erhofft man sich Unterstützung. Das IOC soll aufgefordert werden, bei den Auswahlkriterien der künftigen Ausrichter Olympischer Spiele eine breite Förderung des Breiten- und Schulsports zur Bedingung zu machen.

(FAZ 6.11. 99)

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